Warum blähen sich alte Handy-Akkus auf?
Unterhaltsames

Warum blähen sich alte Handy-Akkus auf?

Kommt dir das bekannt vor?

Du hast dir gerade ein schönes, neues Handy zugelegt. Dein altes funktioniert noch, also stopfst du es in eine Schublade – vielleicht braucht man es ja nochmal? – und kurze Zeit später hast du es vergessen. Ein Jahr danach räumst du besagte Schublade aus und deine Hand berührt etwas, das sich merkwürdig anfühlt – irgendwie unförmig… Zu deinem Entsetzen stellt es sich als dein altes Handy heraus, dessen Display vom aufgeblähten Akku schon aus dem Rahmen gedrückt wird. Wie konnte es nur so weit kommen?!

Ob du’s glaubst oder nicht, aufgeblähte Akkus finden sich ziemlich häufig in elektronischen Geräten. In diesem Artikel erkläre ich, warum Akkus sich überhaupt aufblähen, welche Auswirkungen das auf die Leistung des Handys hat und was du tun kannst, um deine gelagerten Elektrogeräte davor zu bewahren.

Eine temperamentvolle Mischung

In den meisten modernen Geräten sind Lithium-Polymer-Akkus enthalten, kurz LiPo-Akkus. LiPo-Akkus bestehen aus einer dichten Rolle aus dünnen Metall- und Kunststoffschichten, die mit einer komplexen Chemikalien-Mischung beschichtet sind. Diese Rolle kommt in einen Folienbeutel, zusammen mit einer gelartigen Elektrolytlösung. Der Folienbeutel wird dann vakuumverpackt und hitzeversiegelt, um ihn luftdicht zu machen. Der Akku ist fertig!

Das Elektrolyt-Gel im Akkupack erfüllt eine wichtige Aufgabe, denn dort fließen die Lithium-Ionen. Wenn sie nicht fließen können, gibt es auch keinen Stromfluss und somit auch keinen Akku. Theoretisch ist der Akkubeutel luftdicht, sodass sich die Menge des Elektrolyt-Gels nicht verändern kann.

Theoretisch. In der Praxis kann das Elektrolyt-Gel sich aber zersetzen und setzt dann Gase frei. Diese Gase (hauptsächlich Kohlenmonoxid und -dioxid) können aus dem luftdichten Akkubeutel nicht entweichen und der Druck führt dazu, dass er sich aufbläht. Das sieht zwar besorgniserregend aus, ist aber eine Sicherheitsmaßnahme: Der Beutel sorgt dafür, dass die instabilen Gaxmischung im Inneren bleibt und nicht in die Umwelt gerät.

Die Zersetzung des Elektrolyts kann nicht rückgängig gemacht werden – die Gase können nicht wieder in Gel umgewandelt werden. Aber das bedeutet nicht, dass der Akku nicht nutzbar wäre. Jedes Mal, wenn der Akku aufgeladen wird und sich wieder entlädt, zersetzt sich eine winzige Menge an Elektrolyt-Gel und wird zu Gas. Der Akku funktioniert trotzdem problemlos. Wenn allerdings eine größere Menge des Elektrolyts in Gas umgewandelt wurde, ist nicht mehr genug Gel vorhanden, in dem die Lithium-Ionen schwimmen könnten. Dann ist es mit dem Akku aus.

Bestimmte Faktoren tragen dazu bei, dass sich das Elektrolyt schneller zersetzt und sich der Akku aufbläht:

  • Der Akku wird sehr heiß (über 90 °C)
  • Der Akku wird (wegen eines defekten oder falschen Ladegeräts) überladen
  • Der Akku wird beschädigt, sodass die inneren Schichten sich berühren und es einen Kurzschluss gibt
  • Der Akku wird tiefenentladen und längere Zeit nicht aufgeladen – der Grund dafür, dass gelagerte Geräte oft aufgeblähte Akkus haben.

Dein Handy lügt (aus Nettigkeit)

Was bedeutet es, wenn ein LiPo-Akku „tiefenentladen“ wird? In moderner Elektronik ist in den meisten Fällen ein Akku-Management-System vorhanden. Die zuständigen Schaltkreise befinden sich zwischen dem Akku und dem Gerät und schützt den Akku – unter anderem davor, tiefenentladen zu werden.

Der gelbliche, rechteckige Schatten ist das Akku-Management-System. Es befindet sich normalerweise in der Nähe des Akkusteckers und ist mit Isolierband umwickelt.

Das Akku-Management-System trennt den Akku vom Gerät ab, wenn er unter einen bestimmten Schwellenwert entladen wurde. Der Akkustand mag als „0 %“ angegeben werden, aber in Wirklichkeit verbleiben noch 10-15 % der Ladung, um den Akku vor irreversiblen Schäden und vor dem Aufblähen zu schützen. Wenn sich dein Akku also auf „0 %“ entlädt, während du den neuesten iFixit Teardown auf YouTube anschaust, keine Sorge! Der Akku ist nicht tiefenentladen. Sofern du dein Gerät bald ans Ladegerät anschließt, trägt der Akku keine nennenswerten Schäden davon.

iFixit Videos können deinem Akku nichts anhaben.

Richtig richtig leer

Allerdings schadet es einem LiPo-Akku, wenn er längere Zeit unter „0 %“ geladen ist. Ein LiPo-Akku entlädt sich mit der Zeit von selbst, und wird nach längerer Zeit tiefenentladen. Wenn der Akku in diesem tiefenentladenen Zustand liegen gelassen wird, zersetzt sich das Elektrolyt und wird zu Gas, und der Akku bläht sich auf. Deshalb findet man in ungenutzter Elektronik oft aufgeblähte Akkus. Und deshalb laden manche Handys nicht mehr, wenn sie eine Weile ungeladen herumgelegen haben – das Handy erkennt seinen tiefenentladenen Zustand und trennt den Akku zur Sicherheit ab.

Wie lange dauert es, bis ein tiefenentladener Akku sich derart aufbläht? Je nach Akku-Kapazität, Qualität und der genauen chemischen Zusammensetzung kann das Wochen dauern oder Jahre. Aber auch wenn der Akku sich nicht aufbläht, heißt das nicht, dass er „gesund“ ist. Es ist durchaus möglich, dass der Akkubeutel nicht mehr dicht ist und das Gas in die Umgebungsluft entwichen ist.

Lesetipp für die wahren Nerds unter uns: Tauch ab in die Tiefen zwischen den Akku-Schichten

Wenn ein tiefenentladener Akku sich aufbläht, hängt das genau betrachtet mit der Solid-Electrolyte Interphase (SEI) zusammen. Die SEI ist eine dünne Schicht, die sich an den Stellen bildet, wo das Elektrolyt-Gel mit der anodischen Graphit-Schicht in Berührung kommt. Wenn der Akku beim Hersteller zum ersten Mal geladen wird, wird etwas Elektrolyt-Gel zur SEI. Diese neu entstandene SEI bildet eine Art Haut, die das restliche Gel daran hindert, sich zu Gas zu zersetzen. Gleichzeitig schützt sie die Graphit-Schicht vor Schäden durch die Lösungsmittel im Gel.

Wenn ein LiPo-Akku tiefenentladen wird, zersetzt sich die SEI und wird zu Gas – daher das Anschwellen. Ohne die SEI geht das empfindliche elektrochemische Gleichgewicht verloren, das die Voraussetzung dafür ist, dass der Akku funktioniert. Im Akku kommt jetzt eins zum anderen: Die Lösungsmittel im Elektrolyt kommen jetzt in Kontakt mit der Graphit-Schicht und dringen in sie ein. Die Kupferfolie hinter dem Graphit löst sich auf und sickert durch den Graphit ins Elektrolyt, das dadurch verunreinigt wird. Im verunreinigten Elektrolyt bilden sich jetzt metallene Mikrokristalle, die die poröse Isolierschicht durchstechen, wodurch es zu lokalen Kurzschlüssen kommt.

Wie verhindert man, dass sich der Akku aufbläht?

Wenn dein Akku bereits aufgebläht ist, folge dieser Anleitung.

Wenn du verhindern willst, dass dein LiPo-Akku sich aufbläht, musst du verhindern, dass der Akku sich tiefenentlädt. Und ja, das bedeutet, dass du ab und zu nach deinen alten Geräten schauen und sie aufladen musst. Das klingt ziemlich nervig, deshalb gebe ich dir hier ein paar Tipps, wie du diese Herausforderung angehen kannst.

Wenn dein Gerät eine Ladeabschaltung hat:

Bei manchen Geräten (wie z. B. Dell Laptops) kann man einstellen, wie voll der Akku geladen wird. Dann ist die Sache einfach: Stell dein Gerät auf ca. 60 % Ladung ein und lass es am Ladegerät, während du es aufbewahrst. Dann wird der Akku während der Lagerung optimal versorgt. 

Wenn man den Akku deines Geräts leicht herausnehmen kann:

  1. Lade den Akku auf ca. 80 % auf und nimm ihn aus dem Gerät.
  2. Klebe ein Stück Klebeband über die Kontakte des Akkus und bewahre ihn an einem kühlen, trockenen Ort auf, wo er keinen Schaden nehmen kann (sehr wichtig!)
  3. Stelle dir eine Kalender-Erinnerung ein, dass du nach 6 Monaten wieder nach ihm schaust.
  4. Setze den Akku 6 Monate später wieder ein, schalte das Gerät an und schau nach, wie viel Ladekapazität noch vorhanden ist. Anhand dieser Information kannst du berechnen, wie lange es in etwa dauern würde, bis sich ein zu 80 % geladener Akku bis auf 20 % entlädt.
  5. Lade den Akku wieder auf ca. 80 % auf, stell dir eine entsprechende Kalender-Erinnerung ein und fertig!

Wenn man den Akku deines Geräts nicht leicht herausnehmen kann:

  1. Lade den Akku auf ca. 80 % auf.
  2. Wenn möglich, schalte alle Funktionen aus, die sehr viel Energie verbrauchen, zum Beispiel, dass das Handy auch im ausgeschalteten Zustand geortet werden kann. Viele Laptops und Tablets haben einen Transport-, Reparatur- oder Wartungs-Modus; schalte diesen möglichst ein.
  3. Schalte das Gerät aus und lagere es an einem kühlen, trockenen Ort.
  4. Mach dir eine Kalender-Erinnerung, dass du nach einer Weile nachsiehst, wie es deinem Akku geht. Wenn das Gerät einen kleinen Akku hat (wie kabellose Kopfhörer zum Beispiel), sieh nach 2 Monaten nach. Bei Handys und Laptops reicht es nach 4 Monaten.
  5. Schalte nach Ablauf dieses Zeitraums dein Gerät ein und sieh nach, wie viel Ladung noch im Akku vorhanden ist. Mit dieser Information kannst du dir ausrechnen, wie lange es bei diesem Akku dauern würde, ihn von 80 % auf 20 % zu entladen.
  6. Lade den Akku wieder auf 80 % auf, mach dir eine Kalender-Erinnerung und das wars!
Quellenangaben

Effect of Overdischarge on Swelling and Recharge Performance of Lithium Ion Cells
Mechanism of the entire overdischarge process and overdischarge-induced internal short circuit in lithium-ion batteries
Investigation of a commercial lithium-ion battery under overcharge/over-discharge failure conditions

Dieser Artikel wurde übersetzt von Maria Parker.